17. Juli 2025 | 15:51 Uhr

Rekordinvestitionen, ambitionierte Pläne, klare Worte – doch wer genauer hinsieht, stellt sich eine Frage: Wo bleibt eigentlich das Fahrrad?
Ein Blick in den Rekordhaushalt für Mobilität 2025
Die Bundesregierung stellt mit dem Verkehrshaushalt 2025 die Weichen für die kommenden Jahre. Rund 38,26 Milliarden Euro stehen Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) im nächsten Jahr zur Verfügung. Rechnet man das Sondervermögen für Infrastrukturmaßnahmen dazu, sind es sogar über 60 Milliarden Euro – ein Rekord. Schnieder spricht von einem „Modernisierungsschub für Schiene, Straße und Brücken“. Doch während die einen Milliarden bekommen, scheint eine zentrale Säule der Verkehrswende kaum aufzutauchen: der Radverkehr.
Fokus auf Schiene, wenig zur Fläche
Schnieder, der das Verkehrsressort seit Mai 2025 leitet, setzt klare Prioritäten: Die Bahn steht im Zentrum. Die Deutsche Bahn, zuletzt mit Pünktlichkeitswerten unter 65 %, sei „indiskutabel“, so Schnieder. Geplant sind massive Baustellen, strukturelle Veränderungen im Bahnvorstand und ein Push für verlässlichen Fernverkehr. Auch das Deutschlandticket soll langfristig abgesichert werden.
Aber wie sieht es mit dem Verkehrsmittel aus, das als lokal, klimafreundlich, platzsparend und gesund gilt? Im öffentlichen Diskurs und im Haushalt ist vom Radverkehr kaum die Rede.
Radverkehr – verkehrspolitisch unsichtbar
Ein Blick in den Bundesetat zeigt: Keine konkrete Summe, keine neuen Programme, keine prominente Platzierung. Zwar heißt es, man wolle „alle Verkehrsträger mitdenken“ – doch in der praktischen Umsetzung bleibt das Fahrrad unterfinanziert und unterpriorisiert. Der ADFC fordert seit Jahren eine eigene „Fahrradmilliarde“, um Projekte systematisch zu fördern¹ – im aktuellen Haushalt 2025 ist sie nicht vorgesehen.
🚲 Was die Bürgerinnen und Bürger wollen
Der ADFC-Fahrradklimatest 2024, veröffentlicht im Juni 2025, macht deutlich, wie groß die Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit ist. Mit über 245.000 Teilnehmenden ist es die weltweit größte Umfrage zur Zufriedenheit von Radfahrenden – und das Urteil fällt ernüchternd aus: Die Durchschnittsnote liegt bei 3,96 – also knapp ausreichend².
Frank Masurat, stellvertretender ADFC-Bundesvorsitzender, formulierte es so:
„Die Menschen wollen Rad fahren. Aber sie fühlen sich unsicher, nicht ernst genommen und im Verkehr benachteiligt. Die Kommunen brauchen Planungssicherheit – und dafür braucht es klare Mittelzuweisungen vom Bund.“²
Die wichtigsten Erkenntnisse:
Nur 22 % fühlen sich auf dem Rad sicher
68 % sagen: Das Rad hat keinen gleichberechtigten Platz im Verkehr
84 % fordern baulich getrennte Radwege
78 % wünschen sich mehr sichere Abstellanlagen, z. B. an Bahnhöfen
Besonders schlecht schneiden Großstädte ab: In Berlin gab es die Note 4,3, in Frankfurt 4,5. Am besten bewertet wurden kleinere Städte wie Nordhorn, Baunatal und Bocholt. Viele Befragte beklagen, dass Radwege oft mitten im Nichts enden, zu schmal oder von parkenden Autos blockiert sind².
🇳🇱🇩🇰Was unsere Nachbarn besser machen
Während Deutschland sich mit kommunal gestückelten Förderprojekten begnügt, zeigen die Niederlande und Dänemark, wie staatlich koordinierte Radverkehrspolitik aussehen kann.
Die Niederlande investieren rund 30 Euro pro Kopf und Jahr in ihre Radinfrastruktur³ – das entspricht etwa 510 Millionen Euro jährlich. Der Erfolg zeigt sich im Modal Split: 27 Prozent aller Wege werden dort mit dem Fahrrad zurückgelegt⁴.
Noch eindrucksvoller ist Kopenhagen: Die dänische Hauptstadt gibt jährlich etwa 10 Millionen Euro für den Ausbau und Erhalt der Radinfrastruktur aus – bei weniger als einer Million Einwohner:innen. Umgerechnet auf die rund 600.000 regelmäßig Radfahrenden entspricht das etwa 35 Euro pro Kopf⁵. Der Radverkehrsanteil liegt dort bei 45 Prozent⁶ – fast jede zweite Strecke wird mit dem Fahrrad zurückgelegt.
In Deutschland hingegen liegt die Investitionsquote deutlich darunter. Selbst bei großzügiger Schätzung – unter einer Milliarde Euro jährlich bei rund 83 Millionen Einwohner:innen – ergibt sich ein Pro-Kopf-Wert von unter 12 Euro⁷. In der Realität dürfte der Betrag vielerorts sogar noch geringer ausfallen. Auch der Radverkehrsanteil bleibt mit nur 11 Prozent deutlich hinter den europäischen Nachbarn zurück⁸.
Fazit: Die Straße dominiert, das Fahrrad wartet
Patrick Schnieder bemüht sich um Klarheit und Struktur – vor allem bei Bahn und Straße. Doch wer den Verkehrshaushalt genau liest, stellt fest: Das Fahrrad bleibt ein Randthema. Zwischen Milliarden für Brücken und Bahn bleibt der klimafreundlichste Verkehrsträger unsichtbar.
Was fehlt, ist nicht nur Geld, sondern politischer Wille.
Denn: Wer den Radverkehr nicht aktiv stärkt, macht auch keine echte Verkehrswende.
📚 Quellen
ADFC Pressemitteilung zur Fahrradmilliarde (Frühjahr 2025):
https://wunstorf.adfc.de/presse/pressemitteilungen
ADFC Fahrradklima-Test 2024:
https://fahrradklima-test.adfc.de/ergebnisse
Urban Cycling Institute:
https://www.facebook.com/urbancyclinginstitute/posts/930500079268793
Wikipedia – Radfahren in den Niederlanden:
https://de.wikipedia.org/wiki/Radfahren_in_den_Niederlanden
Visit Denmark – Cycling Facts:
https://www.visitdenmark.com/press/latest-news/facts-and-figures-cycling-denmark
Wikipedia – Radverkehr in Kopenhagen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Radverkehr_in_Kopenhagen
ADFC via LinkedIn:
https://de.linkedin.com/posts/adfc-ev_fahrradland-fahrradmilliarde-activity-7239188596363034624-JpyC
BMVI – Mobilität in Deutschland (Modal Split):
https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Artikel/G/mobilitaet-in-deutschland.html
* Radverkehr spielt im 60-Milliarden-Verkehrsetat 2025 kaum eine Rolle.
* Nur 22 % der Radfahrenden fühlen sich sicher – 84 % fordern baulich getrennte Wege.
* Die Niederlande investieren 30 Euro pro Kopf, Dänemark bis zu 35 Euro – Deutschland liegt unter 12 Euro.
* Ohne Förderung des Radverkehrs keine echte Verkehrswende.
* Kommunen fordern Planungssicherheit – der Bund liefert sie nicht.
WE RIDE GmbH (i.G.)
c/o Communisystems-Care GmbH
Gießerstraße 18
04229 Leipzig